Rede von Alicja Flisak (Dziewuchy Dziewuchom) für den politischer Jahresauftakt der Europäischen LINKEN
(15.01.2017, Kino Kosmos, Berlin)

Liebe Gäste,

Der Wahlerfolg der rechtskonservativen Partei, Recht und Gerechtigkeit, im Jahr 2015 in Polen brachte eine große Gefahr der Einschränkungen der Frauenrechte mit sich. In diesem Kontext kam es zu einer hohen Mobilisierung der feministischen Milieus in Polen und zur Entstehung von neuen feministischen Gruppen, unter anderem Dziewuchy Dziewuchom (was so viel wie „Mädels für Mädels“ heißt).

Kirchliche Milieus und Pro-Life Bewegungen haben im letzten Jahr einen Gesetzesentwurf vorbereitet, der eine komplette Verschärfung der bisherigen Gesetzeslage vorsah und beinhaltete, dass Frauen sogar im Falle von Vergewaltigung oder Inzest kein Recht auf Abtreibung haben sollten. Die regierende Recht und Gerechtigkeit -Partei hat zuerst das Vorhaben unterstützt. In der Abstimmung stellten sich jedoch viele Partei-Abgeordnete dagegen, nicht zuletzt infolge der massiven Proteste. Allein in Warschau in Rahmen des sg Schwarzen Montags am 3.10.2016 versammelten sich im Regen mindestens 22.000 Menschen, um gegen den Gesetzentwurf zu protestieren. Zudem wurden diverse Solidaritätsaktionen mit polnischen Frauen in europäischen Städten, wie Brüssel, Paris oder auch Berlin organisiert. Letzterer wurde von Dziewuchy Dziewuchom organisiert und es nahmen über 2000 Menschen teil.

Den Kampf haben wir gewonnen aber der Krieg ist noch nicht vorbei. Wir werden unsere Regenschirme nicht schließen!

Der Gesetzentwurf zum Abtreibungsverbot wurde zwar nicht verabschiedet, aber die parlamentarische Mehrheit plant nach wie vor einen Angriff auf die reproduktive Rechte der Frauen. Die Drohung des vollständigen Abtreibungsverbot wurde von der Regierungspartei ausgenutzt um weitere Restriktionen im Bezug auf reproduktive Frauenrechte vorzuschlagen.Bei einem im Januar 2017 in Kraft getretenen Gesetz handelt es sich um eine Einmalzahlung in Höhe von 4000 zl (ca 920 Euro) bei der Geburt eines unheilbar kranken Kindes. Ironischerweise hießt dieses Regierungsprojekt: „für’s Leben’’. Besonders ein Zitat von Parteichef Jaroslaw Kaczynski löste enorme Kontroversen aus und blieb vielen Menschen in der Erinnerung: „Ich will, dass Frauen auch wenn das Kind stark deformiert ist, gebären, damit das Kind getauft werden kann“.

Doch nicht nur reproduktive Rechte werden von der rechtspopulistischen Regierung angegriffen, auch die Istanbulkonvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ist in Gefahr. Die polnische Regierung will die verbindliche Rechtsnormen gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt nicht mehr einhalten.
Wir sagen: genug ist genug!

Wir, die Gruppe Dziewuchy Dziewuchom Berlin, wollen Bürger*innen in Berlin auf die Situation in Polen aufmerksam machen – durch Pressearbeit, Aktionen und Zusammenarbeit mit anderen feministischen Initiativen. Wir unterstützen auch einige polnische Fraueninitiativen in ihren Aktionen. Diese Solidarität ist jetzt besonders wichtig, da die Regierung die finanzielle Unterstützung von NGOs, die Frauen im Not unterstützen, drastisch eingegrenzt hat.

Unsere Forderung ist der uneingeschränkte Zugang zu einem legalen Schwangerschaftsabbruch. Im deutschen Kontext heißt das ersatzlose Streichung des § 218 aus dem Strafgesetzbuch und im Bezug auf Polen eine Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes. Wir wollen, dass Frauen über ihre reproduktive Rechte sprechen, dass sie lernen über ihr Leben und ihren Körper bewusst zu entscheiden, dass sie in der Rhetorik der religiös geprägten Werte und Moral nicht gefangen bleiben. Wir sind überzeugt, dass die Frage nach reproduktiven Freiheit und nach Selbstbestimmung von einer zentralen Bedeutung für die Rechte und Status der Frauen sind.

Wir, haben die körperliche, wirtschaftliche, verbale oder moralische Gewalt gegen uns satt. Wir werden sie nicht weiter passiv hinnehmen. Wir fordern, dass unsere Regierungen aufhören, Frauen zu beleidigen und sich endlich um echte Maßnahmen bemühen, um diese Probleme zu lösen! Bis dahin werden wir unsere Regenschirme nicht schließen!

Alicja Flisak

31533822473_6551f21669_k

Foto: die LINKE

Leave a Reply